Personale Gewalt gegen Frauen ist eingebettet in ein komplexes System der Benachteiligung und Zurichtung von Frauen, wie es patriarchal strukturierte Gesellschaften weltweit kennzeichnet. Gewalt von Männern gegen Frauen steht nicht im Widerspruch zu den sozialen Bedingungen unserer Gesellschaft, sie leitet sich vielmehr aus ihnen ab. Für unsere Arbeit ist dieses Verständnis von zentraler Bedeutung. Die vielfältigen Dimensionen und Erscheinungsformen patriarchaler Machtstrukturen, die Gewalt von Männern gegen Frauen ermöglichen, legitimieren und immer wieder neu reproduzieren, wurden in den letzten ca. 25 Jahren von feministischen Wissenschaftlerinnen und von der autonomen Frauenhausbewegung beschrieben und öffentlich gemacht (u.a. Brückner 1998; Hageman-White 1997; Bernard/Schlaffer 1991; Nickel 1985; Schröttle 1998).
- Sozialisationsbedingungen bzw. die früh einsetzende Zurichtung von Mädchen und Jungen auf traditionelle, polarisiert und hierarchisch organisierte Geschlechterrollen. So wird beispielsweise bereits kleinen Mädchen das Ausleben von Bedürfnissen und das Erproben von Fähigkeiten in stärkerer Weise verweigert als kleinen Jungen. Reduziert wird dadurch zum einen die Vorstellungskraft der Mädchen bezüglich ihrer Lebens- und Entwicklungsmöglichkeiten. Zum anderen wird ihre Akzeptanz gegenüber der Vorrangstellung von Jungen und Männern erhöht.
- Geschlechtsspezifische und -hierarchische Arbeitsteilung und mit ihr die Benachteiligungen von Mädchen und Frauen im Bildungs- und Ausbildungsbereich. Desgleichen die Benachteiligung von Frauen auf dem Arbeitsmarkt und im System sozialer Sicherung. Jeder dieser Aspekte begründet und verstärkt die soziale und ökonomische Abhängigkeit von Frauen in der Ehe und schränkt ihre Handlungsspielräume ein. Die Möglichkeiten und auch der Mut von Frauen, sich aus einer Gewaltbeziehung zu lösen, wird durch den mit der Trennung häufig verbundenen sozialen und ökonomischen Abstieg negativ beeinflusst.
- Die Legitimation und Produktion rassistischer und sexistischer Herrschafts-, Ausbeutungs- und Abhängigkeitsverhältnisse durch das Ausländergesetz und das – inzwischen nur noch rudimentär existente – Asylrecht mit den jeweiligen Ausführungsbestimmungen. Gewalt gegen und die Ohnmacht und Abhängigkeit von Migrantinnen – insbesondere von Frauen, die aus nicht EU-Mitgliedsländern in die BRD migrieren oder flüchten – wird über diese Gesetze forciert und legitimiert. (siehe dazu auch die Rubrik „Migrantinnen“)
- Das nach wie vor mangelhaft ausgeprägte Rechtsbewusstsein gegenüber Gewalt gegen Frauen als Menschenrechtsverletzung und Straftat. Vergewaltigung in der Ehe wird zwar seit jüngster Zeit als Straftat anerkannt. Häusliche Gewalt – als komplexes System der Misshandlung begriffen – wird hingegen trotz aller Aufklärungs- und Öffentlichkeitsarbeit auch heute noch mehrheitlich als „Familienstreit“ abgetan und in den Bereich des vermeintlich Privaten abgeschoben.